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Robert Betz im Exklusivinterview: “Die Wut will fließen!”

"Wut ist Ohnmacht", sagt Robert Betz

“Wut ist Ohnmacht”, sagt Robert Betz

Das Selbstcoaching Magazin traf Robert Betz in Göttingen und sprach mit ihm über die Wege aus der Wut, das Kind in uns, Voodoo-Puppen und Arsch-Engel. Ganz offen erzählt der deutsche Psychologe von seiner nicht wut-freien Kindheit, von seinen Panikattacken und seinem Herzensweg.

Wut ist explosiv, fatal und unaufhaltsam. Wo wir Ärger und Zorn noch zurückhalten können, platzt die Wut aus uns heraus wie Hulk aus seiner Kleidung. Warum eigentlich?
Wir werden wütend, wenn wir uns hilflos und ausgeliefert fühlen, wenn wir meinen, nichts tun zu können, um eine Situation zu ändern. Wut geht immer mit Ohnmacht einher – ein Gefühl, das wir aus unserer Kindheit gut kennen, als die Eltern über den Großteil unseres Lebens bestimmten.

Was können wir tun, wenn uns jemand zur Weißglut treibt?
Bevor es knallt, sagen Sie: „Ich könnte dich umbringen – aber ich brauche jetzt erst einmal Zeit für mich.“ Dann gehen Sie raus, machen einen Spaziergang oder gehen aufs Klo, falls Sie gerade in der Firma sind. Atmen Sie ein paar Minuten tief durch, kommen Sie zur Ruhe. Sie können auch innerlich eine Kerze aufstellen, die auf Höhe des Herzens brennt, um in ihre eigene Mitte zurück zu finden.

Dann ist die Wut weg?
Nein, aber auch nicht unterdrückt. Wenn Sie es schaffen, können Sie die Wut direkt ansprechen und sagen: „Du bist meine Wut. Du darfst da sein. Ich selbst habe dich erschaffen.“ Wenn es geht, sagen Sie dazu „Ich liebe dich“, aber das schafft nicht jeder am Anfang.

Kann ich nicht einfach in einen Boxsack schlagen?
Können Sie schon, aber Holzhacken, Boxsäcke und Voodoo-Puppen sind reine Hilfsmittel. Sie nehmen den Druck raus und lenken uns ab, aber sie verwandeln die Wut nicht.

Und wenn ich meine Wut einfach herausschreie?
Nun, die meisten Menschen wollen die Wut einfach loswerden, weil sie ihnen unangenehm ist. Bloß dann sagt die Wut: „Du willst mich loswerden? Dann bleibe ich um so mehr!“ Wenn wir erst einmal verstanden haben, dass es das eigene innere Kind ist, das wütet, haben wir schon fast gewonnen.

Wie das?
Als wir klein waren, bekamen wir oft Sätze zu hören wie „Sei nicht so laut! Sei nicht so wild! Sei nicht so faul, verträumt, schmutzig…“ Daraus haben wir geschlossen, dass wir nicht in Ordnung sind, wie wir sind. Wir dachten „Ich muss besser werden“ oder „Ich muss es schaffen“. Wir haben begonnen, unsere Wut zu unterdrücken – als Strategie, um von den Eltern angenommen und geliebt zu werden. Doch da beginnt die Selbstverurteilung des Kindes: Es denkt schlecht über sich selbst und verurteilt die eigene Angst, Trauer und Wut.

Was können Eltern tun?
Sie sollten zunächst ihre eigene Wut klären und Verantwortung für ihre Gefühle übernehmen. Denn alle Eltern sind auch verletzte Kinder. In Jedem von uns steckt ein inneres Kind voller Gefühle, die es nicht zeigen durfte und für die es keine Anleitung gab. Gefühle zu fühlen und anzunehmen geht zum Beispiel über Meditationen, wie „Befreie und heile das Kind in dir“ oder „Besuche und verwandle das kleine Mädchen in dir.“ Wichtig ist auch, den eigenen Eltern zu vergeben und zu sagen: „Du warst die beste Mama oder der beste Papa, den ich haben konnte.“ Nur so kommt Frieden ins Herz.

Und dann?
Eltern müssten darauf achten, das Kinder ihre Wut nicht unterdrücken, sondern ausleben und ihnen zu verstehen geben: Ich liebe dich auch mit deiner Wut. Das Kind würde sich freuen, weil es auch mal laut und wütend sein darf, ganz normal eben. Wut ist ein kraftvolles Gefühl. Wenn wir es mit Liebe zulassen würden und damit spielerisch umgehen könnten, hätten wir eine ganz andere Gesellschaft.

Stattdessen haben wir eine Gesellschaft voller Arsch-Engeln.
Haha! Na ja, Arsch-Engel sind Menschen, die unsere Knöpfe drücken, die wissen, wo die wunden Stellen sind. Ich sage sogar: Arsch-Engel sind die wichtigsten Menschen in unserem Leben – wichtiger als die, die immer nett zu uns sind. Denn sie helfen uns, zu wachsen und zu klären. Wenn uns jemand belügt, betrügt oder verletzt, dann zeigt das, dass in uns eine Wunde ist, die geheilt werden will. Solange wir mit Wut herumlaufen, werden wir auch auf Menschen treffen, die diese Wut hoch holen. Die Wut wird so lange angetickert, bis wir sie anerkennen, fühlen und Verantwortung übernehmen. Arsch-Engel sind also sehr segensreich.

Robert Betz

Und wenn ich keine Lust auf Arsch-Engel habe und meine Wut chronisch unterdrücke?
Nun, Gefühle sind Emotionen, die fließen wollen. Deshalb heißen sie ja auch E-Motions. Können sie das nicht, stauen sie sich im Körper und wir werden krank.

Wie drückt sich das aus?
Bei Frauen kann unterdrückte Wut zu Migräne führen. Weil sie als kleine Mädchen nicht so laut sein durften wie die Jungen, haben sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie aus der Situation herauskönnen. Aber Wut kann man nicht denkend lösen. Wird die Wut unterdrückt, können sich Mädchen also nicht mehr richtig artikulieren. Ihr Hals verschließt sich, weshalb es so viele Frauen mit Schilddrüsenproblemen gibt. Wut manifestiert sich auch in den Muskeln, besonders in den Unterarmen, als wollten Sie zuschlagen, dürfen es aber nicht.

Wenn wir Ärger und Wut schlucken, beginnt der Magen Säure zu produzieren, es kommt aber nichts zum Verdauen und Verbrennen. Machen wir das häufiger, übersäuert der Magen und die Magenschleimhaut wird angegriffen, was zu Magengeschwüren führen kann. Bei vielen Menschen ist der gesamte Körper übersäuert.

Noch eine persönliche Frage, Herr Betz: Waren Sie ein wütendes Kind?
Ich war ein sehr braves Kind. Meine Strategie war die Anpassung. Ich war das fünfte Kind, wurde katholisch erzogen, war Messdiener und ein Mama-Bub. Mit 10 Jahren bin ich ins Kloster nach Holland gegangen.

Also ist Wut für Sie gar kein Thema.
Oh doch! Absolut! Für jeden ist Wut ein Thema. Der brave, angepasste Junge macht das auch nur so lange, bis er ausflippt und richtig wütend wird.

Wann war es bei ihnen soweit?
Nun, ich bin aus dem sehr angepassten katholischen Milieu mit 21 raus, aber Liebe und Akzeptanz waren immer mein Thema. Mit 40 bin ich nachts in Panikattacken geraten.

Und dann?
All das hat mich zu meinen Gefühlen zurückgeführt, zur Hilflosigkeit der Psychologie. Ich bin dann zwei Monate in der Eifel wandern gegangen, um meinen Herzensweg zu finden. Dann habe ich meine Frau verlassen, den Job und die Stadt. Was krass klingt, war irgendwie auch sehr heilsam. Ich war nur noch für mich zuständig.

Wie ist es heute?
Ich bin viel gelassener geworden. Im vergangenen Jahr funktionierte bei einem Vortrag die Anlage nicht und ich sagte zu meinem Kollegen aus Spaß: „Heinz, ich nagele dich ans Kreuz!“ Das konnten einige nicht als Spaß identifizieren… Nun ja, dieses Jahr ist die Anlage wieder ausgefallen und ich bin gelassen, ruhig und entspannt geblieben. Da dachte ich nur: Cool, es hat sich was geändert.

Ein Tipp zum Schluss?
Das Herz ist der beste Coach! Bleiben Sie, wo Sie sind und bis sie ihren Herzensweg nicht gefunden haben, bleiben Sie ruhig sitzen.

Robert T. Betz, Jahrgang 1953, ist ein deutscher Psychologe und Autor. Betz entwickelte die sogenannte „Transformations-Therapie“. Er lebt in München und auf Lesbos. Weitere Information zu seiner Arbeit gibt es auf www.robert-betz.de.


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